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Expertenwissen: Medizin


Bakterien- und Antibiotika-Resistenzen

Dr. med. Klaus Schnittert
Facharzt für Innere Medizin
Fachmännische Patienteninformationen
von Dr. med. Klaus Schnittert



Bakterien zählen zu den ältesten Lebewesen auf der Erde. Sie sind Teil des Mikrobioms, das heißt aller des Menschen besiedelten Mikroorganismen. Dazu zählen auch Pilze, Viren, Protozoen und Würmer. Die beiden letzteren sind für den Menschen pathogenen, das heißt schädlich.

Bakterienbesiedelung gibt es in nahezu allen Bereichen des Körpers, im Wesentlichen jedoch den Magen- Darm Kanal; hier hat man eine Zahl von ca. 100 Billionen berechnet, insgesamt etwa 1.000 verschiedene Arten. Unter physiologischen Bedingungen spielt die Darmflora eine wichtige Rolle beim Erhalt einer intakten Schleimhautbarriere, kontrolliert die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen und deren Stoffwechsel, stimuliert das Immunsystem, trägt zu dessen Reifung bei und verhindert die Ausbreitung pathogener Mikroorganismen. Die Darmflora übt auf diesem Wege einen wesentlichen Einfluss auf systemische Entzündungs-und Stoffwechselprozesse aus und trägt entscheidend zur Aufrechterhaltung eines gesunden Organismus bei.
Aber nicht nur im Magen-Darm-Kanal sind wir auf ein sinnvolles Zusammenspiel zwischen Bakterien und Immunsystem angewiesen, sondern auch auf der Haut, der Mundhöhle, dem Urogenitalsystem usw.

Die Menschen haben schon seit Jahrtausenden Mikroorganismen genutzt, um mit Bakterien Joghurt und Sauerkraut zu machen oder mit Hefezellen Bier und Wein herzustellen, ohne zu wissen, dass sie dabei kleinste Lebewesen für sich arbeiten ließen.
Um auf den Magen-Darm-Kanal zurückzukommen: Die Anzahl der Mikroorganismen nimmt vom Mund bis zum After kontinuierlich zu, unter anderem finden sich überall Pilze.
Eine wichtige Rolle spielen kurzkettige Fettsäuren, die von Bakterien aus unverdaulichen Ballaststoffen im Darm gebildet werden. Sie beeinflussen zahlreiche Stoffwechselprozesse, unter anderem Vitaminsynthesen, z.B. B-Vitamine und Vitamin K und sind die wichtigste Energiequelle der Dickdarmschleimhautzellen, liefern aber auch ca. 10 % unseres Energiebedarf und sind unter anderem an der Regulation des Appetits beteiligt.
Nicht nur Antibiotika beeinflussen das Darm mikrobiologischem, sondern auch verschiedene andere Medikamente, z.B. PPI, die mit einem Risiko für Clostridium difficile Infektion verbunden sind oder NSAR, Metformin und Psychopharmaka können zu einer Zunahme pathogener Darmkeime führen.

im Januar 2022 wurde der aktuelle Global Research on Antimicrobial Resistance (GRAM) -Report mit der Untersuchung der Antibiotikaresistenz veröffentlicht. Er umfasst die Daten von 204 Ländern.
Danach sind weltweit 1,3 Millionen Menschen 2019 an einer bakteriellen Infektion mit multiresistenten Erregern gestorben. Das entspricht Platz 12 der Todesursachen Statistik, noch vor HIV und Malaria. Die häufigste Ursache war eine Infektion mit MRSA. In West Mittel und Südeuropa sterben im Zusammenhang mit Antibiotika Resistenzen 51.000 Menschen pro Jahr, wobei hier zum Teil andere Keime eine Rolle spielen, die oft im Krankenhaus erworben werden.

Die Gründe für solche Infektionen sind vielfältig. Manche Patienten benötigen invasive Untersuchungen oder Therapien, z.B. mittels Gefäßkatheter, Harnwegskatheter, Ernährungssonden oder künstliche Beatmung; das sind Eintrittswege für Erreger in den Körper. Häufig besiedeln die Erreger zunächst den Patienten auf der Haut oder im Darm bevor sie eine Infektion verursachen. Hygienemängel insbesondere die Hände Hygiene spielen eine wichtige Rolle Bei der Verbreitung der Erreger. Zu den häufigsten Krankenhausinfektionen gehören Lungenentzündungen, Wund und Harnwegsinfektionen, Durchfallerkrankungen und Sepsis.
Für Deutschland geht man von 10.000 - 15.000 Todesfällen aus bei 400 - 600.000 Patienten, die sich während einer stationären Behandlung infizieren. Bakterien verfügen über die natürliche Fähigkeit sich gegen Antibiotika, die von anderen Mikroorganismen wie zum Beispielpilzen produziert werden zu schützen. So kommen Antibiotika-Resistenzen ganz natürlich in der Umwelt vor. Sie entstehen durch natürliche Mutationen im Erbgut Der Bakterien oder durch Aufnahme von Resistenzgenen aus der Umgebung, die Bakterien untereinander austauschen und dabei weitergeben. Bakterien können mehrere Resistenzgene aufnehmen, die sie gegen verschiedene Antibiotika schützen. So entstehen mehrfach bzw. multiresistente Erreger, die einer Vielzahl von Antibiotika widerstehen können.

Wie entstehen nun die Antibiotika Resistenzen? Es gibt natürliche, das heißt es gibt kein Antibiotikum, was auf alle Bakterien wirkt; häufiger sind jedoch die erworbenen Resistenzen. Die entscheidenden Bereiche sind die Human- und Tiermedizin. In beiden werden jährlich ca. 700 t Antibiotika verabreicht.
In der Humanmedizin entwickeln sich antibiotikaresistente Bakterien durch übermäßigen und unsachgemäßen Gebrauch von Antibiotika, wie z. B. durch die Anwendung bei falscher Indikation, zu geringer Dosierung und inadäquate Anwendungsdauer, wobei betont werden muss, dass jede Antibiotikagabe mit dem Risiko einer Resistenz-Entwicklung verbunden ist, die zunächst nur in einzelnen Erregern entsteht; diese können aber die erworbenen molekularen Veränderungen mittels mobiler genetischer Abschnitte an andere weitergeben.

Ein nach wie vor ungelöstes Problem ist der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung, zum Teil ohne klare Indikation. So bekommt ein Huhn in der Massentierhaltung bei einer Lebensdauer von 39 Tagen bis zu 11 verschiedene Antibiotika. Die zum Teil noch wirksamen Reste dieser Wirkstoffe und die zwangsläufig entstehenden resistenten Bakterien gelangen über Ausscheidungen der Tiere als Gülle oder als Klärschlamm aus den Kläranlagen in die Umwelt, das heißt auf Felder, ins Oberflächen -und Grundwasser und damit in die Nahrungskette.

Das gleiche gilt natürlich für die Abwässer aus Haushalten, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arzneimittelproduktion; aus diesem Grunde sind schon Pharma-Fabriken in Indien geschlossen worden. Interessant, dass z.B. die Schweiz schon 2006 die Verwendung von Klärschlamm als Dünger verboten hat.

Der Eintrag dieser Substanzen in die Umwelt hat nicht nur für den Menschen Konsequenzen, sondern auch für das Gewässer- und Bodenökosystem mit Schäden für Wasser Pflanzen wie Algen und Cyano Bakterien bzw. Boden Fruchtbarkeit und Nitratabbau.

Was kann man tun? In erster Linie ist natürlich politisches Handeln gefragt angesichts der Größe des Problems, am besten auf EU-Ebene. Aber auch auf individueller Ebene kann man viel tun:

  1. Regelmäßig Händewaschen mit Seife- Desinfektionsmittel sind zu Hause nicht nötig - besonders nach dem Einkaufen, Kontakt mit Tieren und Umgang mit rohem Fleisch
  2. Antibiotika nur nach ärztlicher Verordnung und Einnahmevorschrift nur mit Wasser runterspülen
  3. über Altakte und Nichtgebrauch der Medikamente nicht über Toilette oder Waschbecken entsorgen
  4. bei Hautverletzungen Wunden Abdecken
  5. Probiotika sind Bakterien oder Hefen, die das mikrobielle Gleichgewicht im Darm verbessern sollen. Die Hersteller werben zum Teil aggressiv mit dem Slogan zu jedem Antibiotikum gehört ein Probiotikum. Wissenschaftlich erwiesen ist die Wirkung ausschließlich in der symptomatischen Therapie der antibiotika-assoziierten Diarrhöe.
  6. Der Einsatz von Hefen ist bei Abwehr geschwächten Patienten gefährlich und kannsystemische Pilzinfektionen auslösen.

Ich möchte noch ergänzend zu meinem Beitrag auf zwei Artikel aus dem Ärzteblatt (https://www.aerzteblatt.de). Unter folgenden Titel finden sie die Beiträge:

  • Fachgesellschaft rät von Bestimmung des Darm-Mirkrobioms ab
  • Saccharomyces boulardii: Probiotikum für abwehrgeschwächte Patienten gefährlich

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